Diakonie Hamburg gegen Sexkaufverbot
Anlässlich des Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen (25.11.) positioniert sich die Diakonie Hamburg mit einer Stellungnahme klar gegen die Einführung eines Sexkaufverbots in Deutschland. Was dem Schutz der Frauen vor Gewalt dienen soll, hat nach Einschätzung der Diakone Hamburg den gegenteiligen Effekt: Es führt dazu, dass gerade die verletzlichsten Gruppen in der Sexarbeit Gefahr laufen, Opfer von Gewalt und Ausbeutung zu werden.
Die Diakonie Hamburg bietet seit über 45 Jahren Beratung und Unterstützung für Frauen in der Sexarbeit an. Viele der Frauen, die in die Beratungsstellen in St. Georg oder in St. Pauli kommen, arbeiten selbstbestimmt aber aus Armut in der Prostitution. Oftmals ernähren sie nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Familien mit ihrer Tätigkeit. Berufliche Alternativen gibt es für sie auf dem deutschen Arbeitsmarkt kaum. Ein Sexkaufverbot würde ihnen nicht helfen, sondern ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen drastisch verschlechtern.
Zwar sollen im Rahmen eines Sexkaufverbots zunächst nur Freier für den Sexkauf bestraft werden, während die Sexarbeitenden straffrei bleiben. Die Kriminalisierung der Kunden führt jedoch dazu, dass Sexarbeitende im Verdeckten arbeiten müssen. Sie sind auf Hilfe Dritter angewiesen, um Kontakte zu Kundinnen und Kunden zu knüpfen. Diese nutzen z.T. das Risiko, das sie eingehen, um Druck auf die Sexarbeitende auszuüben: Sie verhandeln niedrige Preise oder Praktiken, die die Sexarbeitenden sonst vielleicht nicht angeboten hätten. Der Zugang zu Gesundheits- und sozialen Beratungsangeboten wird durch ein Sexkaufverbot erschwert, Gewaltdelikte und Ausbeutung werden weniger oft angezeigt. Diese Effekte belegen Studien aus Ländern, in denen ein solches Verbot aktuell existiert (z.B. Schweden).
Nach Ansicht der Diakonie braucht es aktuell keine zusätzlichen Gesetze. Menschenhandel und Zwangsprostitution sind Menschenrechtsverletzungen, auf die in Deutschland bereits hohe Haftstrafen stehen. Von diesen Straftatbeständen ist jedoch einvernehmlicher Sex gegen Bezahlung klar zu unterscheiden. Dieser ist seit 2002 durch das Prostitutionsgesetz (ProstG) rechtlich geregelt und ermöglicht Sexarbeitenden u.a. ihren Lohn einzuklagen. Das am 1. Juli 2017 in Kraft getretene Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) hat das Ziel, Menschen in der Prostitution besser vor Ausbeutung und Gewalt zu schützen. Diese Intention begrüßen wir. Vorschriften wie die verpflichtende Beratung und Registrierung als Prostituierte sowie das Mitführen eines speziellen Ausweises bei der Tätigkeit lehnen wir ab, während wir Maßnahmen, die auf Betreibende von Prostitutionsstätten abzielen, zu großen Teilen befürworten. Der gesetzlich vorgesehenen Evaluationszeitraum für das Prostituiertenschutzgesetz und die Ergebnisse der Evaluation sollte abgewartet werden, bevor neue Gesetze auf den Weg gebracht werden.
Wir fordern
- Ausbau und finanzielle Sicherung von Fachberatungsstellen, die sich mit ihren Angeboten niedrigschwellig, akzeptierend und ergebnisoffen an Menschen in der Sexarbeit richten.
- Zugang zu niedrigschwelliger Gesundheitsberatung und -versorgung – unabhängig von Herkunft oder Aufenthaltsstatus.
- Finanzierung von Um- bzw. Ausstiegsprogrammen, die es auch Menschen aus der Sexarbeit ohne Sozialleistungsansprüche in Deutschland ermöglichen, sich zu qualifizieren und ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern.
- Anerkennung von Sexarbeit als Arbeit, um den Blick für die tatsächlichen Arbeitsbedingungen von Sexarbeiterinnen und -arbeitern zu schärfen und diese zu verbessern.
- Einbeziehung von Sexarbeitenden, deren Verbänden sowie von Fachberatungsstellen/ Wohlfahrtsverbänden in Gesetzgebungsprozesse und alle Belange, die die Verbesserung des Schutzes von Sexarbeitenden betreffen.
Dirk Ahrens, Landespastor und Vorstandsvorsitzender der Diakonie Hamburg: „Es muss alles vermieden werden, was Menschen in der Prostitution stärker in die Illegalität oder an den Rand der Gesellschaft drängt.“
Dr. Korinna Heimann, Fachbereichsleitung Migrations- und Frauensozialarbeit: „Die Verfechter/-innen eines Sexkaufverbots machen es sich zu leicht: Sie wollen ein Phänomen aus der Welt schaffen, das ihnen nicht gefällt, indem sie es verbieten. Doch käuflichen Sex wird es weiterhin geben – dann aber illegal. Das öffnet Ausbeutung und Gewalt Tür und Tor.“
Julia Buntenbach-Henke, Einrichtungsleitung Fachberatungsstelle Prostitution:
„Wenn es ein Sexaufverbot geben sollte, werden wir die Frauen* nicht mehr so leicht erreichen wie jetzt. Sie wären dann vollends vom Hilfesystem in Deutschland abgeschnitten.“
Anna Waxweiler, Sozialarbeiterin Fachberatungsstelle Prostitution:
„Die Frauen* müssen mit Würde und Respekt behandelt werden.“
Für Rückfragen stehen Ihnen gerne zur Verfügung:
Dr. Korinna Heimann, Diakonisches Werk, Fachbereichsleitung Migration und Frauensozialarbeit, Tel. 040 30620-219
Steffen Becker, Diakonisches Werk, Pressesprecher – Information und Öffentlichkeitsarbeit, Tel. 040 30620-233