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Armutsverschärfung durch Sanktionen für junge Menschen

Die Einführung des SGB II mit seiner Maxime des „Förderns und Forderns“ war insgesamt geprägt von einer Schuldzuweisung an Erwerbslose und alle anderen, die auf Grundsicherungsleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts angewiesen sind. Den bis zu den „Hartz-Reformen“ geltenden Regelungen der Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe wurde unterstellt, die Menschen bloß zu versorgen, sie nicht genug zu fordern, von ihnen keine oder zu wenig Verantwortung und Gegenleistungen zu verlangen. Demgegenüber sei es an der Zeit, stärker als bisher Arbeitssuchende und andere Leistungsberechtigte auf ihre Arbeitsbereitschaft um jeden Preis zu verpflichten. Deshalb sei es auch legitim, das Existenzminimum abzusenken, wenn Leistungsberechtigte sich nicht den Vorgaben der Eingliederungsvereinbarung und damit verbundenen Verpflichtungen fügen oder wenn sie Termine nicht einhalten. Sanktionsregelungen im SGB II erhielten deswegen im Unterschied zu früher geltenden Sanktionsregelungen einen Strafcharakter, denn sie gelten pauschal für einen bestimmten Zeitraum unabhängig davon, ob jemand sein Verhalten ändert.

Für Jugendliche und Jungerwachsene unter 25 Jahren gelten im SGB II andere Regeln als für Leistungsberechtige, die älter als 25 Jahre sind. Sie werden durch diese Sanktionsregelungen in besonderer Weise diskriminiert.

Schon bei der ersten Pflichtverletzung (z.B. Meldeversäumnis, Nichteinhalten von Vorgaben der Eingliederungsvereinbarung, Ablehnung eines zumutbaren Stellenangebots, Ablehnung der Teilnahme an einer Maßnahme) wird die finanzielle Leistung komplett für bis zu drei Monaten gestrichen. Ab der zweiten Pflichtverletzung werden auch die Mietkosten nicht mehr gezahlt.

Diese Regelungen verletzen nicht nur das Prinzip der Gleichbehandlung, weil über 25-Jährige z.B. bei Meldeversäumnissen „nur“ mit einer Kürzung der Leistungen in Höhe von 10 % oder bei Missachtung der Eingliederungsvereinbarung mit eine Kürzung von 30 % sanktioniert werden. Diese Strafen machen es Jugendlichen auch unmöglich, die menschenwürdige Existenz zu sichern, weil ihnen das Mindestmaß an Mitteln, die für die Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind, entzogen wird.

Zur Illustration von Funktionsweise und Wirkungen von Sanktionen muss auf folgende Punkte hingewiesen werden:

  • Im Zeitraum von November 2015 bis Oktober 2016 wurden laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit 944.406 Sanktionen ausgesprochen. 238.858 davon trafen Menschen unter 25 Jahren.
  • Sanktionen treffen häufiger junge Menschen mit niedrigen formalen Qualifikationen. Sanktionen gegen sie verstärken die negativen sozialen Zuschreibungen, die es gegenüber diesen jungen Menschen in der Gesellschaft schon gibt.
  • Die häufigsten Sanktionsgründe sind Verstöße wegen Meldeversäumnissen gefolgt von Verstößen gegen Eingliederungsvereinbarungen, Ablehnungen von Arbeitsangeboten, Ausbildungsangeboten oder Maßnahmen.
  • Sanktionen verschärfen die prekäre Lebenssituation junger Menschen und erhöhen die Gefahr, in Risikosituationen zu kommen, die zu weiteren Verschlechterungen führen (z.B. Schwarzfahren, schlechte Ernährung, nicht legale oder gefährliche Formen der Geldbeschaffung, Wohnungsverlust und Obdachlosigkeit, dauerhafter Rückzug aus dem System der Sozialleistungen).
  • Die prinzipielle Verunsicherung und Bedrohung der materiellen Existenzsicherung durch die Sanktionen gefährdet die Selbständigkeit und verstärkt das Gefühl des „Ausgeliefert-Seins“ an die Macht von einzelnen Menschen und Institutionen. 

Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit, ein Zusammenschluss von Verbänden und Trägern der Jugendsozialarbeit fordert die Entschärfung der Sanktionen für junge Menschen unter 25 Jahren im SGB II. Die Stellungnahme finden Sie hier.

Die Diakonie lehnt Sanktionen ab. Die Begründung dazu finden Sie hier.