„Traumatisierte Menschen haben eigentlich keine Chance in einem Asylverfahren, wie es in Deutschland praktiziert wird. Einer unserer größten Erfolge ist es, ihnen Gehör zu verschaffen“, sagt Anne Harms, Leiterin von „fluchtpunkt“.
Die kirchliche Hilfsstelle für Flüchtlinge bietet juristische und psychologische Unterstützung. Sie wendet sich an Menschen, die schutzsuchend nach Hamburg gekommen sind und einen festen Aufenthaltsstatus in Deutschland erlangen wollen. Das sind Asylbewerber und „geduldete“ Familien, deren Abschiebung ausgesetzt wurde. Hilfe finden aber auch die Menschen, die es offiziell gar nicht gibt, weil sie nirgendwo registriert sind. Ziel ist, für die Verfolgten eine Anerkennung als politische Flüchtlinge zu erreichen, für geduldete Familien eine würdige Lebensperspektive durch einen festen Aufenthaltstitel zu erlangen und für Menschen ohne Papiere Möglichkeiten einer Legalisierung zu prüfen.
Neun Fachkräfte in Voll- und Teilzeit gehören zum „fluchtpunkt“-Team: Juristen, eine Sozialpädagogin, eine Psychologin und eine Pädagogin. Sie geben Rat in allen Fragen des Asylverfahrens und des Aufenthaltsrechts. Sie helfen bei der Kommunikation mit Behörden und beim Formulieren von Anträgen. Außerdem bereiten sie die Flüchtlinge auf die Anhörung beim Bundesamt und dem Verwaltungsgericht vor.
Dass viele Klienten traumatisiert sind, gehört zum Alltag in der Hilfsstelle. Deshalb geht die Betreuung über die rechtliche Beratung hinaus.
Spezielle Hilfe für traumatisierte Menschen
„Wir müssen die Menschen oft erst soweit stabilisieren, dass sie in der Lage sind, ein Verfahren in ihrem Sinne mitzugestalten“, berichtet Anne Harms. Schockierende und lebensbedrohliche Erlebnisse hinterlassen tiefe Spuren. Traumatisierten Menschen fällt es schwer, sich zu konzentrieren. Sie kämpfen mit heftigen Gefühlen wie Wut oder Angst, sind schreckhaft, misstrauisch oder schweigsam. Eine Psychologin hilft den Betroffenen, ihre Fluchtgeschichte aufzuarbeiten. „Das Asylverfahren, wie es in Deutschland praktiziert wird, ist nicht zum Schutz von Menschen gedacht“, sagt Anne Harms und verweist auf die verhörartige Situation der Anhörung im Asylverfahren – für alle Flüchtlinge extrem belastend. Traumatisierte seien dem Verfahren ohne Hilfe jedoch chancenlos ausgeliefert.
Die Landeskirche und der Kirchenkreisverband Hamburg finanzieren „fluchtpunkt“. Mit Spenden und Kollekten muss inzwischen ein Viertel des Finanzbedarfs gedeckt werden.
Missstände öffentlich machen
Derzeit betreut das Team 517 Flüchtlinge juristisch und seelsorgerlich über einen längeren Zeitraum. Eine große Gruppe sind „Weitergeflohene“, die über die südlichen EU-Länder einreisen. Viele Flüchtlinge stammen aus Afghanistan. Aus Somalia kommen besonders viele unbegleitete Minderjährige nach Hamburg. Bezweifeln die Behörden deren Altersangaben, bestehen die „fluchtpunkt“-Mitarbeitenden darauf, dass sie zumindest nicht ohne eine ärztliche Prüfung weggeschickt werden. „Der Rechtsstaat funktioniert nicht automatisch aus sich heraus. Er braucht ständig Kontrolle durch Gerichte und Öffentlichkeit“, sagt Anne Harms. Um Missstände anzuprangern, setzt sie deshalb auch auf Öffentlichkeitsarbeit: „Wir wollen die Diskussion über einen humanen, an christlichen Werten orientierten Umgang mit Flüchtlingen wachhalten.“
Als „fluchtpunkt“ 1994 startete, war die Zahl der Asylanträge in die Höhe geschnellt, nicht zuletzt durch den Jugoslawienkrieg. Seither sind die Zahlen gesunken, die Arbeit jedoch nicht. Anne Harms, die „fluchtpunkt“ von Anfang an leitet, erklärt: „Haben wir früher ein bis zwei Verfahren pro Klient geführt, sind es heute drei bis vier.“ Die Rechtslage ist komplizierter geworden – die Beratungsstelle ist immer überlaufen.
fluchtpunkt (Diakonie-Mitglied seit 1994)
Eifflerstraße 3, 22769 Hamburg
Tel 040 / 43 25 00-80
info@fluchtpunkt-hamburg.de