Die jetzt von der Sozialbehörde vorgelegte Neukonzeption der Straßensozialarbeit enthält nach Einschätzung der Diakonie Hamburg einige begrüßenswerte Ansätze, gibt aber auch Anlass zu Kritik. Stefanie Koch, Wohnungslosenexpertin der Diakonie: „Die Stärkung der Straßensozialarbeit ist grundsätzlich positiv – insbesondere die personelle Ausweitung in einzelnen Bezirken wie Harburg und Altona. Gleichzeitig sehen wir jedoch zentrale Herausforderungen, die aus fachlicher Sicht kritisch zu hinterfragen sind.“
Inhaltlich problematisch sei etwa die Betonung von „Beharrlichkeit“ der Straßensozialarbeitenden als Voraussetzung für Veränderung. Die dem Konzept zugrunde liegende Studie der Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung e.V. (GISS) zeigt deutlich: Es fehlt nicht am Willen der Betroffenen, sondern an strukturellen Anschlussmöglichkeiten – nämlich zuallererst an Wohnraum, „§ 67er“-Angeboten oder erreichbaren Behördenzugängen. Eine Verlagerung der Verantwortung auf die Straßensozialarbeit greift hier zu kurz.
Auch die geplante Übertragung des Social-Hub-Modells vom Hauptbahnhof auf andere Bezirke erscheint fragwürdig. Weder sind Zielsetzung noch Wirksamkeit transparent belegt, noch ist klar, ob dieses Modell so auf andere Kontexte übertragbar ist.
Nicht zuletzt beschreibt das Konzept mit dem Begriff „lebenslagenverändernd“ eine Zielsetzung, die in vielen Fällen nicht realistisch ist. Stefanie Koch: „Zunächst ist häufig eine Stabilisierung und Verbesserung der Lebenssituation das vorrangige Ziel – und sollte auch sprachlich entsprechend abgebildet werden. Wir befürchten, dass Menschen, deren Status nicht eindeutig geklärt ist, künftig durchs Netz des Hilfesystems fallen könnten.“
Bei Durchsicht des neuen Konzepts fällt auf, das ein starker Fokus auf der sogenannten Rückkehrberatung liegt. „Allerdings ist der dramatische Anstieg der Obdachlosenzahlen in Hamburg nicht auf die Zuwanderung aus Südosteuropa zurückzuführen“, so Stefanie Koch (mehr Informationen).
Mit Sorge stellt die Diakonie auch in diesem Konzept eine zunehmende Vermischung von Sozial- und Ordnungspolitik fest. „Diese Verknüpfung sendet das falsche Signal: Obdachlosigkeit ist keine Bedrohung. Menschen in Not brauchen in erster Linie Unterstützung und einen respektvollen Umgang – keine sicherheitspolitische Behandlung“, so Stefanie Koch.
Für die vorgesehene Ausschreibung der Trägerschaft weist die Diakonie Hamburg auf das Risiko hin, dass etablierte, gut vernetzte Träger der Wohnungslosenhilfe ihre Arbeit nicht fortsetzen können. Koch: „Gerade die Anbindung an bestehende soziale Beratungsstellen hat sich bewährt – sie ermöglicht niedrigschwellige, integrierte Hilfe aus einer Hand und sichert die enge Zusammenarbeit mit Fachstellen vor Ort.“